Was ist Erleuchtung?
Geschrieben von H.U. Wyss am 18. Jun 2010Wer einige Zeit ernsthaft an seinen Zielen arbeitete (wie zum Beispiel im Artikel Tipps für Erfolg beschrieben), der wird zwei Entwickungen an sich feststellen:
1. Man verbesserte seine Fähigkeiten
Auch wenn der supergrosse Erfolg noch nicht eingetroffen ist, so merkt man doch ziemlich bald, dass man sich selbst verbessert hat. Man beginnt die Strategien der Erfolgreichen zu verstehen. Man lernt Situationen besser einschätzen. Man trifft bessere Entscheidungen. Man erfährt mehr und mehr wirkliche Erfolge. Man vertraut mehr und mehr auf sein eigenes Können und wird selbstbewusster.
Diese Entwicklung ist offensichtlich. Es war vorher schon klar, dass das passieren würde. Wenn man anderen Leuten davon erzählt, so ist es auch für sie sofort einleuchtend. Wenn man etwas immer wieder tut und übt, so ist ja klar, dass man besser wird und mehr Erfolge feiern kann.
Neben der genannten offensichtlichen Entwicklung (dass man besser wird) geschieht eine zweite Entwicklung.
2. Man wird lockerer
Egal welches Ziel man verfolgt, mit der Zei nimmt man das alles nicht mehr so ernst. Man wird lockerer. Man akzeptiert, dass man eben Fehler begehen muss. Man sucht nicht mehr nach dem magischen Trick und arbeitet einfach Schritt für Schritt an seinen Zielen. Man nimmt nicht mehr alles so persönlich. Man wird unabhängiger von der Meinung von anderen Leuten. Man geniesst den Prozess des Lernens und des Entstehens der Erfolge mehr und mehr. Man geniesst sein eigenes Leben mehr. Man lebt mehr im jetzigen Moment.
Diese 2. Veränderung ereignet sich versteckt im Hintergrund. Man bemerkt sie fast nicht. Auf einmal jedoch stellt man fest, dass diese Lockerheit und eine damit verbundene Lebensfreude da ist. Man nennt dies „persönliche Entwicklung.“ Je weiter jemand in dieser Entwicklung ist, desto mehr ist jemand mit sich selbst im Reinen und desto mehr Weisheit besitzt er.
Diese 2. Veränderung konnte man vorher nicht erahnen. Man konnte sich vorher nicht vorstellen, dass man lockerer werden würde. Man hätte sich auch nicht vorstellen können, was es heisst oder wie es sich anfühlt „lockerer zu werden.“ Wer es erlebt und anderen Leuten davon erzählt, der wird häufig missverstanden oder er redet gegen eine Wand. Für ihn selbst ist jedoch klar, was er erlebt. Es ist nicht Gegenstand für eine Diskussion für ihn. Er weiss ja was und wie er erlebt.
Das Ende dieser 2. Veränderung nennt man „Erleuchtung.“ Erleuchtung ist jedoch nicht ein „Erfolg 615-544-2308 ,“ den man endlich „erreicht“. Es ist nicht ein mentaler Zustand, wo alles einfach und leicht ist oder wo alles immer klappt. Es ist, wenn man vollständig angenommen hat, das das Leben genau so ist, wie es jetzt ist.
Es ist möglich, direkt an dieser zweiten Veränderung zu arbeiten. Das beschreibe ich in meinem neuen Buch.
6 Kommentare
Miguel am 30. September 2010 um 22:41
Was ich über die Erleuchtung sagen kann.
Erleuchtung kann nur Erleuchtung des Geistes sein, also reine Wahrnehmung. Reine Wahrnehmung ist die Schau des Absoluten als Absoluten und analogisch dazu könnten wir auch von der Schau des Relativen als Relativen reden. Nach der Aussage der Mystiker ist Schau des Absoluten unaussprechlich.
Die Schau des Relativen als Relativen geschehe, wenn man Bäume schaut, zum Beispiel, und sieht dabei, dass sie nicht ohne den Betrachter sind. Dann erkennt man, dass die Wirklichkeit der Bäume in der Wirklichkeit des Betrachters, des Geistes, liegt.
Erleuchtung also ist Erkenntnis der nicht wesentlichen Unterscheidung. Diese Art der Wahrnehmung geschehe auch, wenn wir eine Musik hören oder einen Traum haben und dabei erkennen, dass das Gehörte nicht ohne den Hörer und das Geträumte und nicht ohne den Träumer ist. Weil es auch so ist, hat man auch keinen Grund von sich selber, von Musik, Traum oder, wie beim vorherigen Beispiel, von den Bäumen zu reden. Sprechen halte ich daher für eine Art Rhetorik, während Wahre Inhalte nur in der Stille übertragen werden können. Der Geist also ist und in jeden einzelnen Dingen schmeckt er sich in sich selber, worüber nicht mehr zu sagen gibt. Dieses sollte man einfach forschen und erkennen.
So phantastisch die Erleuchtung oder diese Art der Betrachtung vielen erscheinen mag, ist sie nicht bewundernswerterer für mich, als der Zustand der nicht Erleuchtung. So wie ich sie beschreibe, halte ich die Erleuchtung sogar für eine Falle, denn all zu oft gibt man sich damit zufrieden, wodurch man sich selber den weg versperrt. So gesehen kann die Erleuchtung also eine schlimmere Verblendung als die übliche sein.
Es gibt viele Arten der Wahrnehmung oder Zustände des Geistes zwischen die Schau des Absoluten oder vollkommene und wahre Erleuchtung und die hochgradigsten Ignoranz oder Ahnungslosigkeit: der Glaube. Ohne ihn gäbe weder Religion noch tief in Menschen verwurzelte moralische Dimension. Der Glaube eines Ahnungslosen halte ich für ein größeres Wunder als eine große Erleuchtung, etwa die Erleuchtung eines Heiligen, denn ohne den Glauben ist die wahre Erleuchtung so gut wie ausgeschlossen, die wahre Erleuchtung aber bringt mit sich die Erfüllung des Glaubens.
Und doch, meinen viele, z. B., der Buddha etwa glaubte nicht an Gott oder, schlimmer noch, der Buddhismus schließe den Glauben an Gott aus, wodurch die Geringschätzung, wenn nicht Verachtung des Glaubens offenbart wird.
Bei einem Meditationstag unter Zenpraktizierenden zeigte der Zenlehrer Mal zum Buddhabild:
– Damit ist nicht ein Bild Gottes gemeint, sondern unseres Wesens!
Eine Stimme erwiderte im Saal:
„Und wie wollen Sie wissen, um Gottes Willen, dass unser Wesen nicht Gott ist?“
Auch ich weiß es nicht, nur misstraue ich instinktiv allen, die an etwas glauben, kleiner als Gott oder, anders gesagt, sich mit einem bestimmten Geisteszustand, egal wie hoch, zufrieden geben.
(Pardon noch mal für mein Deutsch, Freunde)
H.U. Wyss am 1. Oktober 2010 um 09:46
Miguel, ich weiss dass der Verstand all die philosophischen Abhandlungen spannend findet. Ich verstehe, was du hier geschrieben hast. Aber es ist ein Missverständnis.
Mit Erleuchtung ist nichts besonderes gemeint. Es ist damit genau das Leben gemeint, das wir alle schon haben. Nicht etwas anderes, besseres oder höheres.
Es ist das ganz normale Leben gemeint. Allerdings das normale Leben, das heisst das ohne Verzerrung.
Da stossen die Beschreibungen an die Grenze. Ich weiss. Es ist jedoch nicht schwierig die Verzerrung zu entfernen und dies selbst zu erleben.
Ich beschreibe in meinem neuen Buch genau wie das geht.
Miguel am 1. Oktober 2010 um 19:32
Weder Verstand noch etwas zu verstehen ist da, H.U.,
wenn ein Haufen große Bäume plötzlich vor Dir ohne Gewicht stehen und selbst das gesamte materielle Universum sich leichter als eine Feder offenbart. Verstand gibt überhaupt nicht, wenn man eine Musik hört und plötzlich Hörer und Gehörtes Ton werden und nur das Erklingen gibt. Auch ist es kein Produkt des Verstandes, wenn man träumt, wach wird und man erkennt, man hat nicht geträumt, sondern das Leben ist ein Traum. Es gibt kein Verstand da, wo keine Laute, keine Farbe, weder Licht noch Dunkelheit, weder Bewegung noch Stille gibt. Und wenn die blanke Abwesenheit aller Dinge schwer zu ertragen wird, fragt man sich: „was ist denn das?“
Diese Frage ist das Trugbild, da haben wir den Verstand. Das ist die einzige Verzerrung der Welt und mit Verlaub, H.U., Du müsstest der vertrauensseligste Optimist der Gesichte sein, wenn Du im Ernst meinst, es wäre nicht schwierig, die Verzerrung zu entfernen. In Wirklichkeit ist diese die einzige Schwierigkeit im Leben. Oder kannst Du etwa eine einzige Schwierigkeit nennen, wo die Verzerrung nicht in Vordergrund stünde?
Der Verstand ist armselig, enttäuschend und so geräuschvoll, dass nicht einmal alle Geräusche zusammen lauter sind. So laut ist es auch in Wirklichkeit, wenn die Menschen wach werden inmitten der Nacht und sie glauben dabei, das Haus wäre in Ruhe und in Ordnung. Das Haus ist überhaupt nicht in Ruhe und von wegen Ordnung! Ein Saustall ist das Haus!
Erkenne den Verstand und misstraue ihm! Weißt Du, wer Dir Deine Wörter flüstert, wenn Du über ihn schreibst? Er überzeugt Dir dauernd, die Dinge seien so oder so. Er diktiert mir diese Sätze so wie Dir Dein Buch diktiert hat. Er sagt, Du bist H.U. und ich bin Miguel, aber er lügt dauernd, denn nichts davon ist wahr.
In der Erfahrung, die man gewöhnlich Erleuchtung nennt, fehlt also fast immer etwas und da gibt gewöhnlich auch mehr Geräusche von Nüssen als Nüsse ohne Schale. Wenn schon aber die kleine Erleuchtung unaussprechlich ist, dann erst recht die große. Um diese Sache geht es aber, um die wahre und endgültige Erlösung. Es bedarf zu sterben, damit sie sich offenbart. Und siehe da, genau das ist es, was der lästige Verstand überhaupt nicht will.
Verstehst Du H.U.? Nicht für Ungut, aber das ist das Problem!
H.U. Wyss am 1. Oktober 2010 um 19:55
Miguel, ich erlebe da etwas anderes.
Erleuchtung ist nicht die Erlösung vom Leben oder ein Transzendieren des Lebens oder so.
Es ist DAS LEBEN WIRKLICH LEBEN. Es ist wenn man aufgehört hat zu warten bis das Leben anfängt. Es ist wenn man nicht mehr will, dass das Leben grundsätzlich anders ist. Es ist wenn die Suche zu Ende ist.
Und um das zu erleben muss gar das Leben nicht anders sein. Der Verstand muss nicht anders sein. Der Verstand muss auch nicht aufhören. Man selbst muss nicht verschwinden. Ich weiss jetzt genau was damit gemeint ist. Aber es ist meiner Meinung nach sehr sehr verwirrend beschrieben.
Danke für den Kommentar.
Miguel am 2. Oktober 2010 um 00:02
Mal weinte qualvoll ein Mann, weil er seinen Sohn verloren hatte. Ein guter Mensche fühlte Mitleid zu ihm:
– Mein lieber Freund, weine nicht so, Du kannst es nicht ändern…
Der Mann erwiderte geärgert:
– Aber, Herr Gott, deswegen weine ich ja!
Hier kommen vielleicht Deine Einwände, H.U.: halt dieses Verlangen nach etwas anderen schafft Leid, nicht wahr? Dieses Verlangen nach etwas Anderen aber besteht wirklich und man kann sich nicht ohne weiteres davon entledigen! Die Kraft, Energie, Neigung, nenne es wie Du willst, die das Verlangen zu sein bedarf, ist da! Diese Kraft muss verbraucht werden, damit auch seine Wirkung sich einstellt. Die Ratschläge des Buddhismus und des Christentum nach Askese, auch viele Gebote und Verbote anderer Religionen, haben eben diesen Sinn. Wie bei allen Religionen aber bedarf der Weg des Christus oder des Buddhas Glauben, daher betone ich die Wichtigkeit des Glaubens. Der Glauben wiederum wäre sinnlos ohne den Wunsch nach Glück oder Erlösung.
Wie könntest Du meinen, man braucht keine Erlösung vom Leben, hättest Du selber keine Erlösung im Leben erlangt?
Ich glaube aber nicht, dass Du „da“ etwas anderes, sondern Dasselbe anders erlebst. Intensität, Wirkung und andere Aspekte der Erfahrung sind natürlich unterschiedlich. Jeder von uns neigt dazu, die eine oder andere Perspektive, je nach individuellem Charakter, zu erleben, zu betonen und zu vertiefen. Sicherlich aber meinen wir im Grunde dasselbe universelles „Phänomen“ (Phänomen ist eigentlich alles andere, nur versuche ich „da“ irgendwie zu nennen).
Du kannst das Leben einfach als Leben nehmen, weil Du Dein Verlangen gestillt hast. Weil Du auf der anderen Seite der Bühne geschaut hast, beunruhigt Dich nicht mehr, wenn dieser Kasperl des Egos weint oder lacht. Du bist gelassen und daher bedarfst Du nicht mehr nach Gelassenheit zu streben, Du brauchst auch kein Verständnis mehr, weil Du schon aufgeklärt bist.
Ich freu mich für Dich und finde Dein Mitgefühl und Wunsch zum Helfen lobenswert. Selber aber will ich mich nur ausruhen, wenn ich zu Hause angekommen bin. Mag sein, dass wir Unterwegs eine Pause brauchen. Allerdings H.U. scheint mir so, als ob Du Dich in der Pause verewigen möchtest.
Ich habe gestern anders gesagt (Es sind halt nur Bilder):
„… nur misstraue ich instinktiv allen, die an etwas glauben, kleiner als Gott oder, anders gesagt, sich mit einem bestimmten Geisteszustand, egal wie hoch, zufrieden geben.“
Danke auch für Deinen Kommentar.
Wendy am 18. Dezember 2010 um 18:44
Eine sehr interessante Diskussion…
Zunächst einmal glaube ich, dass Meditation lediglich eine UMLENKUNG des Machtstrebens bedeutet, eine Umlenkung nach innen. Ein Mensch, der ernsthaft versucht, seine äußeren Lebensziele zu erreichen (Geld, Traumfrau, Sport, ideelle Ziele usw.), merkt irgendwann und nach langem Bemühen, dass die Erfüllung dieser Wünsche entweder ständig neue Wünsche weckt (nachdem er diese erreicht hat) oder aber dass das höchste seiner (äußeren) Ziele so hoch gesetzt ist, dass es für ihn unerreichbar bleiben wird. Es ist diesen Menschen, die ihre Lebensziele ERNSTHAFT, also mit größter Anstrengung verfolgt haben, vorbehalten, diese Einsicht zu gewinnen. Die Mehrzahl der Menschen versucht es erst gar nicht, um dann sagen zu können, sie hätten es auch schaffen können, wenn sie nur gewollt hätten…
Nicht dass ein erfolgsorientiertes Leben als unerfüllt empfunden werden muss (vielleicht gehört das persönliche Wachstum zum befriedigsten menschlicher Existenz), aber man langt irgendwann an einem Punkt an, an welchem die persönliche Entwicklung, die Idee des Glücks, des „Himmelreichs IN UNS“ uns stärker anzieht als alles Äußere, eben weil wir jetzt wissen, dass äußere Dinge nur vorübergehendes Glück bedeuten KÖNNEN.
Wenn also endgültige Lebenszufriedenheit in äußerlich gesteckten Zielen nicht erreicht werden kann, dann möglicherweise über einen inneren Weg? Und indem der Mensch nun von seinen äußeren Zielen ablässt und sich auf seine innere Entwicklung fokussiert, lenkt er seinen Machtwillen nach innen. Jetzt will er dauerhaftes Glück durch Askese, Meditation usw. erreichen und steckt, wenn er es so ernst wie Buddha selbst meint, all seine Kraft in dieses Vorhaben. Seinen ganzen Willen zentrieren auf das Erreichen dieses inneren Zustandes; eher wollte Buddha sterben, als ohne Erleuchtung wieder aufzustehen.
Der Asket will Macht über sich selbst, denn das Gefühl der Macht verleiht Gelassenheit, Freiheit, Liebe, unendliche Macht verleiht vollkommene Gelassenheit, vollkommene Freiheit und Liebe; etwas Göttliches. Man erinnere sich, dass nur der Allmächtige auch zur Alliebe fähig ist: ohne Macht keine Liebe! Ohnmacht hingegen resultiert in Sorge, Abhängigkeit und Hass: man fürchtet, was man hasst. Und fürchten muss man nur, dem man ohnmächtig ausgeliefert ist.
Aber der Weg zur vollkommenen Gelassenheit (Resultat der vollkommenen Desillusionierung) ist lang und Buddha kannte die Neigung seiner Schüler gut, sich in einem bequemen Stadium der persönlichen Entwicklung zur Ruhe zu setzen. Und so legt man dem sterbenden Buddha als seine letzten Worte, die er zu seinen umgebenen Schülern sagte, in den Mund: GEHT WEITER…
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